Es ist schon bemerkenswert, wie sich der politische Diskurs über die Jahrzehnte ändert. In Frankreich ging es bei der Neujahrsansprache 1974 des damaligen Präsidenten Giscard d’Estaing um Blumen, Bäume und Erfahrungen der Menschen. Die Zeitung Libération hat die Rede des jetzigen Präsidenten Macron analysiert – das Wort “Arbeit“ kam, angesichts der aktuellen Streiks nicht weiter verwunderlich – häufig vor. Die Ansprache war insgesamt deutlich länger als diejenigen seiner Vorhänger mit 2.200 Wörtern. Das Libé-Zeitungs-Lab, ja so etwas leistet sich zukunftsweisend die Tageszeitung, hat einen Neujahrsreden-Generator für Präsidenten erstellt. Die daraus automatisiert aus vorhergegangenen Ansprachen erstellten Texte kann man verteilen. Ja, auch das ist „share economy“.
Ersparen möchte man dem Leser eine versuchsweise angestellte automatische Übersetzung des d’Estaing-Textes mit mehreren online-Apps. Hier eine händische Version der Endpassage aus 1974 – tja, das waren noch lyrische Zeiten:
„…1974 war ein Jahr, in dem Bäume und Blumen wuchsen, in dem sich Menschen begegneten, in dem andere lernten und produzierten und Dinge entwarfen. 1974 war ein Jahr für uns, das Teil unseres Lebens ist und das wir nie mehr erleben werden. Adieu 1974 , sei gegrüßt 1975 …“
Unsere Bundeskanzlerin beließ es in ihrer gestrigen Ansprache 45 Jahre später bei 865 Worten. ‚Key words und Tags‘ waren, wie man neuerdings sagt: Zuversicht, gute Jahre, Stärken, digitaler Fortschritt, Bildung, Arbeitsplatz, Erde, Klima, Kinder und Enkel, Erfindergeist, Zusammenleben, Soziale Marktwirtschaft, Kommunen, Hass und Gewalt, Europäische Union, Afrika.
Hier die Textversion.
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Wie der „Obama Textgenerator“ funktioniert, kann man hier nachlesen.
Das Wochenmagazin Der Spiegel stellt auch einen vor.
Bundeskanzlerin.de
Beitragsbild: Libération