Umsatzpotentiale im Podcast-Geschäft: Woher kommt der Euro?

(Artikel erschienen in radioszene.de am 11.02.2020) In den letzten Wochen häufen sich Erfolgsmeldungen aus dem Bereich Podcasts. Vermarkter, Hersteller und Verbände melden eine hohe Nachfrage, das Angebot steigt rasant, ein hohes Engagement der Hörer wird verzeichnet. Wir haben diese Stimmungslage zum Anlass genommen, alle mögliche Einnahmequellen für Podcasts zu beleuchten, die Rolle der Werbung zu analysieren und einige Marktteilnehmer zu befragen.

Podcast-Geschäft – noch eingefroren?

Podcast-Geschäft – noch eingefroren?

Alexander Koller

„Ja, ich kann mir vorstellen, Podcasts für unsere UKW-Radiosender einzukaufen, aber …“, sagt Alexander Koller, Geschäftsführer Funkhaus Nürnberg und nennt damit gleich eine mögliche Erlösquelle für Anbieter. Er meint aber im selben Atemzug: „…sie müssen aber auf unsere Sender einzahlen. Sie brauchen auch das Look & Feel unserer Stationen. Bei allem Wohlgefallen an Barbara Schönberger, ihr „barba radio“ nutzen wir nicht.“ Etwa 900 € kosten diese 3 bis 4-Stunden-Episoden, und da erkennt man auch gleich den Umfang möglicher Erlöse. Kommt es zu einem nationalen Einsatz in möglichst vielen Stationen, lassen sich signifikante Erlöse erzielen.

Rasch und naheliegend also ist eine Einnahmequelle identifiziert, die Radiosender. Falls diese nach Content fragen, sollten Podcaster solchen natürlich anbieten und tun dies auch bereits. Nur dürften die Erlösgrößen im UKW-Radio stark abhängig sein von der Attraktivität des Contentangebotes, der erzielten und nachgewiesenen Steigerung der Reichweiten im Programm des Senders und vom Kostenvorteil des Senders: welche Produktionskosten spart die Station ein? Umgekehrt dürften eher Radiosender als Podcastanbieter auf den Markt treten und Eigenproduktionen anbieten. Hier gelten seit langem gelernte Kostengrößen, die sich für eine Produktion je nach Dauer im drei- oder niedrigen vierstelligen Euro-Bereich belaufen dürfen.

Beispiel-Rechnnung

Weniger attraktiv stellt sich die Situation dar für ein Ausspielen auf den Webchannels klassischer UKW-Stationen. Die Sender werden den entstehenden Traffic nicht ableiten lassen und Werbeeinnahmen zumindest anteilig behalten wollen. Hier bleibt es also mit einem Szenario Syndication 2 in Webchannels eher nur bei möglichen Einnahmen aus dem Verkauf der Produktionen. Deutschlandweit mag da 2021 ein Betrag unter 1 Mio. € herauskommen.

Orientierungsgrößen US-Markt?

Schaut man auf das Mekka des Radios und der Podcast-Welt, und schenkt man den Zahlen Glauben, sind viele auf einen ersten Blick starke US-Vorlagen für das eigene Geschäft zu finden: 107 Mrd. USD wurden im vergangenen Jahr in den USA in die Onlinewerbung gesteckt, da lassen sich rasch Milliardenwerte für Werbung in Podcasts hochrechnen. Dies ist – wenn auch nicht ganz – der Fall: 2018 wurden laut IAB immerhin 479 Mio. USD in Podcasts umgesetzt. Ins Stirnrunzeln kommt man allerdings doch bei der Überlegung, ob da nicht insgesamt etwas schief liegt, hinzukommen schließlich noch die Außenwerbung, Radio- und TV, Print und Ambient-Werbung in den USA. Bei etwa 34 Mrd € Investitionen (Nielsen) in hiesige Mediawerbung sind die US-Spendings nicht um ein Vierfaches (gewichtet an Bevölkerungszahl) höher (136 Mrd.) sondern sie liegen bei 240 Mrd. USD also um mehr als das Siebenfache. Diese Diskrepanz ist erklärungsbedürftig. Gibt es hier eine Klondike-Glorifizierung getrieben von den Digitalen?

Im vergangenen Jahr beliefen sich die im hiesigen Netz erzielten Werbeumsätze in Audio-Channels auf bescheidene 60 Mio. € netto (Quelle VAUNET, Instream Audiowerbung). Der eingangs genannte Nürnberger Betreiber nennt originär digitale Umsatzanteile von … unter 1 Prozent! In der Zahl 60 Mio. ist nicht die Gesamtheit aller Erlöse und Erlösfelder für Podcasts enthalten, sie dient eher zu einer Relativierung und als Maßstab bei einer Bewertung möglicher zukünftiger Umsatzgrößen dieser neuen Spielform im Bereich Audio.

Zurück zu den USA, das Finanz-Beratungsunternehmen Guggenheim Partners schätzt die möglichen Werbeerlöse aus Podcasts in den USA im Jahr 2021 auf 1 Mrd. ein, hieraus werden gemäß des Unternehmens etwa ein Viertel auf Spotify fallen. Der Streaminganbieter setzt offensichtlich vehement auf dieses Audiosegment durch den Zukauf von Anbietern wie den Produzenten Gimlet Media und das Podcast-Tool Anchor, weitere Zukäufe sind wie zu vernehmen, geplant. Spotifys Strategie lautet offensichtlich, als Landing Page für diesen neuen Sektor zu fungieren. Einnahmegrößen für den deutschen Markt aus den US-Angaben herunter zu brechen und zu ermitteln, dürfte müßig sein: Die Märkte sind zu unterschiedlich, es stellt sich auch die Frage der Validität der Zahlen. Insgesamt erschienen sie aber nach tieferer Analyse doch nicht gänzlich überzogen. Eine Einnahmerechnung nach Abo-Einnahmen aus 10 Mio. Haushalten und gegriffenen 120 USD p.a. Subskriptionskosten plus geschätzte 5% der Onlinewerbespendings ergeben eine mögliche Einnahmegröße von 1,2 Mrd aus Abos plus 5 Mrd. USD aus Werbung für den US-Markt, insgesamt also erstaunliche 6,2 Mrd. USD.

Für Deutschland stellt sich die Frage: Sind die hiesigen Haushalte bereit, zu den jährlichen Aufwendungen für Medien in Höhe von mehr als durchschnittlich 1.000 € neben Rundfunkgebühr, Presse, ein oder zwei Streamingangebote, Handygebühren (ja, da vorwiegend Mediennutzung) und zu den Kosten für ein sicherlich wertiges Premium-Spotify-Abo noch ein weiteres hinzu zu kaufen für sagen wir mal 5 € im Monat?

Nicht verlockend scheint ein Setzen auf die ‚Community‘ zu sein. Wiki und andere gemeinnützige Webanbieter machen die leidvolle Erfahrung: Die Taschen bleiben zu allermeist verschlossen. Ein starker Community-Spirit wird wohl kaum die Euros in die Taschen der Produzenten wehen.

Vincent Kittmann (Head of Podstars by OMR, Hamburg) dazu: “Die Revenues für den deutschen Markt sind aktuell nur schwer einzuschätzen. Wenn man Branded Podcast als Marketingmaßnahme mitzählt plus die Bezahlung die Podcaster von den Plattformen bekommen (z.B. Jan Böhmermann und Olli Schulz von Spotify) sind wir auf jeden Fall bei einem zweistelligen Millionenbetrag.“

Unternehmens-Podcasts sind als internes Unternehmenskommunikationsmittel eher den ganz großen Playern vorbehalten, deren Anzahl sich vielleicht auf 50 beläuft. Interessant sind diese, da sie auch als Werbekunden und Sponsoren in anderen Fällen auftreten können und da sie über attraktive Budgets verfügen. Nicht zuletzt werden sie auch, sofern sie das neue Angebot nutzen, auch regelmäßig auf „Sendung“ gehen wollen und treu dabei sein.

Native Ads mit Podcasts, des Autors Liebling, sind bekanntlich interessant gemachte Audiobeiträge, die irgendwo etwas mit dem Unternehmensthema zu tun haben. Dies ist eine andere Interpretation wie jene, mit einer in der jetzigen Diskussion häufig genannten ‚Hosting‘-Rolle. Dabei soll der Moderator des Podcasts als Werbepresenter auftreten (und als “Audio-Influencer”alles vermasseln, wie einige kritisieren). Bei dem Versicherer AXA können das Ernährungstipps oder social responsibility-Theme sein, bei einem Matratzenanbieter, der Schlaf, bei Audi die Elektromobilität und bei einem Reiseveranstalter die Magie eines bestimmten Landes sein. Auch hier sind bestimmt interessante Margen zu erzielen. Zu bedenken aber ist, dass die Anzahl der möglicher nationaler Marken und Kunden bei einer doch überschaubaren dreistelligen Anzahl liegt, wirtschaftlicher Erfolg wird hierbei durch die Gewinnung von möglichst vielen aus diesem Stamm oder neuer bisher unentdeckt gebliebener zu erzielen sein.

Podcasts as ad, am Pricing von Funkspots orientieren zu wollen ist nachvollziehbar, kann aber nicht nach dem Schema verlaufen, Kosten traditioneller 30-Sekünder anzusetzen, nach der Formel: x 10 für eine 5-Minutenproduktion. Hatten in der frühen Privatradio-Ära die 30-Sekünder das Manko des “kurzen Röchlers” sind diese in der Tat durchschnittlich eher noch kürzer geworden. Lange Versionen dürften aber für eine Programmverträglichkeit eher im 90-Sekundenbereich verlaufen müssen und einen redaktionellen Charakter haben. Das Pricing ist also eher auf ein Drittel anzusetzen sein (wobei wir bei dem Richtwert des 30-Sekünders wären). Solche Langspotversionen sind weniger werblich angelegt, unterhaltend und intrusiv, trotzdem hat sich die Kundschaft daran gewöhnt, hierfür nur mit einen Abschlag zu zahlen.

Der größte Streaminganbieter Spotify bietet Podcastern nicht unerhebliche Leistungen wie Hosting, Metrics und Werbung für die Plattform. Diese sind also auf Werbeeinnahmen angewiesen.

Laurent Dumont, Gründer von Podcastics sieht die Sache so: „Meiner Einschätzung nach nutzen 99% der Anbieter keine Möglichkeiten der Refinanzierung. Ich traue dem Format “host read” ein hohes Umsatzpotental zu mit einem CPT von 80 € und mehr. Bei der Werbeakquisition durch große Mittler, was einen kleinen Markt darstellt meiner Einschätzung nach, sehe ich eher Tausenderpreise von 5 bis 30 €.“

Gerard Edwards, ‚Podjock‘ bei dem Diensteanbieter Podcast Radio plädiert für eine Demokratisierung der Angebote und meint: „I believe a new platform format will come along and have a subscription base, allowing access to the majority of podcast content, but genuinely splitting income with all creators (this is without an advert inserted).  This will benefit podcasters who can’t demand big advertising brands themselves.”

Im Rahmen der Recherche fiel auf, dass traditionelle Mediaagenturen sich durchaus mit der Findung von Strategien für den Einsatz der neuen Audio-Spielform beschäftigen. Hier wird es spannend zu sehen, wie die Vertriebsarbeit der Podcaster und deren Dienstleister wirken. Denn sind erst einmal die Kunden ‚angeturnt‘ und überzeugt, werden die Mediaplaner folgen (müssen).

Da fällt noch das Stichwort ‚Intermediäre‘, neben dem Allzweck-Dienstleister PODCASTICS der Statistiken, unbegrenztes Hosting, einfaches Teilen und Monetarisierung verspricht, tummeln sich weitere mit gleichen Services. Sie nennen sich zum Beispiel targetspot, Zippycast oder Studio Podcast. Und da wären wir bei einem ganz wesentlichen Auslösekriterium für Podcasts nämlich die Reichweiten. Diese gilt es eindeutig und valide nachzuweisen, und da stehen noch immer gemeinsame akzeptierte Messinstrumente aus. Laut diverser Studien liegen die wöchentlichen Einschaltquoten von Audio-Podcasts bereits im zweistelligen Bereich (z.Bsp. ARD/ZDF-Onlinestudie 2018, BLM 2019, Bitkom) bei einem Bevölkerungsanteil von über einem Viertel.

Insgesamt lassen sich mit den hier aufgestellten Modellen doch recht überschaubare Erlöse in Höhe von 30 bis 40 Mio. € aus dem Podcast-Markt für das Jahr 2021 hochrechnen. Es sind Marktkonzentrationen zu erwarten angesichts der Dominanz der Streaminganbieter und Abodienstleister. Von der Contentprovider-Seite ist zu erwarten, dass viele ihre spontane Lust am Medium verlieren und es ebenfalls zu einer Konsolidierung in den nächsten 5 Jahren kommt, wobei die Tiefe des Angebotes ebenfalls zurückgehen wird. Erkennbar ist eine Analogie zu der Privatfunkszene in einigen Ländern, wo anfangs Tausende von Anbietern auf den Markt kamen, dann verschwanden oder sich in “unabhängigen Radionetzwerken” sammelten. Ob und wie den Podcastern es gelingt, in die Mediennutzungsgewohnheit Vieler zu gelangen und Radio-ähnlichen Live-Charakter zu entwickeln, ist die spannende Frage der Zukunft. Alleinig als „Lean Back-Medium“ zu fungieren, wird Podcast in den Bereich des Nischen-Mediums verweisen. Schauen wir mal, welche Blüten Audio-Kreativität da aufspringen lässt.

(Text und Tabellen: ©Helmut Poppe, 07.02.2020)


Helmut Poppe

Helmut Poppe, Radiopionier mit den Stationen: Radio Petticoat-Berlin (erster deutscher Oldiesender), Geschäftsführer der Radio Tele Media-Service, Marketingleiter Vertrieb Studio Gong, Verkaufsdirektor der IPA und IP Multimedia, Marketingleitung germany.net mit radio germany.net. Er arbeitet in und an digitaler Transformation für verschiedene Unternehmen in Deutschland und im Ausland in den Branchen Sport, politische Kommunikation und Medien.

Impressionen von der European Radio Show

Short time out @ European radio Show

Artikel veröffentlicht am 31.01.2020 in radioszene.de

Internationale Tendenzen und Innovationen für Medienschaffende

Im Bild: Evelin und Helmut Poppe
Short time out @ European Radio Show

Den Veranstaltern der European Radio Show ist es dieses Jahr wieder gelungen, eine ungemein abwechslungsreiche Messe in Paris auf die Beine zu stellen. Die 3-Tagesveranstaltung, die in einem Kongressprogramm Roundtables, Diskussionen und Präsentationen anbot, verzeichnete nach Veranstalterangaben mehr als 8.000 Besucher vom 23. bis 25. Januar. Diese im Vergleich zu anderen Radioveranstaltungen sehr hohe Anzahl erklärt sich zum einen ganz einfach durch den freien Eintritt für Branchenakteure. So ist es auch Mitarbeitern der ‚dritten Garde‘ aus den Sendern und den umliegenden Branchen finanziell möglich, dem großen Branchentreffen in der historischen Halle de la Villette im Osten Paris beizuwohnen. Gerade diese Radioleute sind es ja schließlich, die wesentliche Innovationen einbringen und umsetzen müssen, und sie kamen zahlreich. Insgesamt gab es von allen Seiten ein großes Lob auch wegen der Vielfalt des Programms und der professionellen Organisation.

Besonders ins Auge fielen Neuigkeiten aus den Bereichen: Personalentwicklung, zur Fragestellung, ob Podcasts dasselbe Phänomen erfahren werden wie Videos auf YouTube, ob und was Frankreich und Deutschlands Radiomacher voneinander lernen können. 
Von der technischen Seite sind besonders drei Neuerungen bei Sender-Aggegratoren und Podcastsoftware zu erwähnen und … was vielleicht besonders zukunftsweisend ist, Innovationen zum Thema Tracking des Hörers, zur Profilbildung und zu der Berücksichtigung der hieraus gewonnenen Daten im Programm. Hier zeichnet sich eine Relevanz für das europäische Medienrecht ab. Eines ist klar, in Frankreich wird fleißig von Seiten des Staates Rundfunk reglementiert, was zur Folge hat, und was auch gleich an dieser Stelle eine Vorwegnahme der insgesamt gewonnen Erkenntnisse darstellt, dass Reglementierungen und hoher Wettbewerbsdruck, wie er in Frankreich viel mehr gegeben ist als in Deutschland … zu kreativen Lösungen führt.

Die deutsche Mediaanalyse MA weist 263 Sender aus, hinzukommen 78 erfasste Webradios. Im Vergleich dazu senden über 1.229 Anbieter in der gallischen Nation. Berechnet man die Netto-Werbeeinahmen auf Basis der Anzahl der Einwohner erhält man eine pro Kopf-Zahl an Werbeinvestitionen Radio von gut 10 € per Jahr in beiden Ländern, was manchen Sendereigner zu einem Stirnrunzeln bewegt, die diese Zahl naturgemäß als viel zu niedrig empfinden.
Einen Hinweis auf einen höheren Erfolg im Werbezeitenverkauf ergeben die auf Basis der gewichteten Einwohnerzahlen ermittelten Umsätze, Frankreich hat eine um 20% kleiner Bevölkerungsanzahl, gewichtet man die Nettowerbeumsätze dort entsprechend, ergeben sich zumindest gleich hohe Einnahmen insgesamt wie in Deutschland (Quelle: bump, Nielsen, VAU.net und ARD). Da das staatliche Radio in Frankreich auf 50 Mio. € Werbeeinnahmen gesetzlich limitiert ist, könnte man anteilsmäßig wie in Deutschland noch einmal etwa 200 Mio. hinzuschlagen. Im Ergebnis könnten die französischen Sender in der Gesamtheit also einiges mehr einnehmen als die hiesigen. Da sich die Reichweiten mit 76% Hörer gestern und in den Verweildauern ziemlich ähneln (Quellen: médiamétrie und MA), scheint linksrheinisch mehr Druck, Kreativität und Erfolg im Verkauf zu diesen höheren Zahlen führen. Diese vergleichenden Aufstellungen sind hier nachlesbar:

Von der Prorammseite fiel auf, dass in unserem Nachbarland stark auf das Format TALK gesetzt wird. Die vier großen nationalen Senderketten France Inter, dieser weiterhin und in Zeiten der Streiks die No.1 und Europe 1, RTL und Sud Radio betreiben nicht nur ein konsequent durchstrukturierte fast ausschließliche Talk-Angebote, sie nutzen auch im hohen Umfang begleitendes Bewegtbild und sehr viele Möglichkeiten für Hörer, um mit den Sendern in Kontakt zu treten. Die beiden in Deutschlands privaten Stationen wenig anzutreffenden Faktoren (da teuer und aufwendig) Reaktivität und Bewegtbild, führen offensichtlich zu hoher Akzeptanz und indirekt zu bedeutenden Werbeeinnahmen.

Programmerfolg und die Faktoren, die hierzu führen, laden zu einer Messung ein. Drei Anbieter stachen bei dieser Aufgabenstellung besonders ins Auge:

ACE misst Call ins und wertet diese Hörerreaktionen aus. Zusätzlich können mit dem gewonnenen Datenbestand bestimmte geplante Themen vorhersehbar gemacht werden nach Anzahl der redebereiten Hörer, deren Historie, Regionalität und Menge. Das Programm wird nach Angaben des Anbieters von führenden Senderketten im Programmalltag genutzt.

Yacast, misst im Auftrag der staatlichen Behörde CSA (diese ist teilweise vergleichbar mit unseren Medienanstalten) mit dem Instrument “Baromètre Radio” begleitend die Reichweiten des Forschungsinstituts Médiamétrie und verfolgt die „strategischen Zielsetzungen“, gemeint sind wohl Senderstrategien, deren Verhalten und Kontrolle. Da bei unseren Nachbarn der Anteil der einheimischen Titel und die Zeit/Wort-Anteile der Politiker eingehalten werden müssen, setzt die CSA ebenfalls auf diesen Dienstleister und eine Anwendung namens “MediaArchiver”.

NEUROMEDIA: Hier geht es (noch?) nicht um die Messung von Gehirnströmen oder gar um deren Beeinflussung sondern um detallierte Messungen des Hörerverhaltens. Diese zukunftsweisenden Anwendungen erlauben nicht nur, mit dem Produkt „CasterStats“ Audio- und Videostreaming zu erfassen und auszuweisen oder mit „TraxFlow“ Musiktitel zu steuern, mit dem dritten Angebot aus dem Portefeuille des belgischen Unternehmens wird – manch einer erinnert sich da noch an die vor zwanzig Jahren aufgekommene Schweizer Uhr, mit der Radionutzungsvorgänge gemessen werden sollten – jetzt hilft das Smartphone hierbei. Wie der Hersteller schreibt, sollen Radio- und TV-Inhalte digital, über UKW oder DABplus verbreitet erfasst und ausgewiesen werden.

Da solche Aufgaben auch zu dem Wirkungsbereich der deutschen Medienanstalten zählen, dürften diese sich bald solche offensichtlich bisher unerkannt gebliebenen neuen Entwicklungen näher anschauen. Bisher verlässt man sich auf Stichproben, die zumeist nicht automatisiert durchgeführt werden durch – wie man hört – Werksstudenten. Im Rahmen eines europäischen Medienrechts und mit der Zielsetzung „gleiches Recht für alle“ ergeben sich spannende Fragestellungen und neue Aufgaben. Diese sollen hier an dieser Stelle aber noch nicht besprochen werden.

Bleibt noch zu erwähnen, dass für den Alltagsbereich relevante Angebote (wieder-) in Paris entdeckt wurden: der von den deutschen Anbietern betriebene Radioplayer kann auch in Frankreich von dortigen Stationen auf Anfrage genutzt werden. Uns gefiel besonders auch der ebenfalls werbefreie Aggregator audials, der was wohl einzigartig ist, Mitschnitte gleich mit dem Handy oder dem PC erlaubt von den tausenden enthaltenen Radio- und Podcastprogrammen. Hier hat das Karlsruher Unternehmen eine ganz exzellente Anwendung geschaffen, die mehr Aufmerksamkeit in der Branche verdient.Wer es spielerisch mag und sich mit Podcasts vergnügen möchte, greife zu lilicast.com. Mit dieser einfach online zu bedienenden und exzellent assistierten Web-App lassen sich Produktionen rasch und optisch gut aufgemacht erstellen. Da griffen wir rasch zu. Die Frage, ob Podcasts die gleiche Erfolgsstory wie YouTube-Videos erfahren werden, wurde natürlich auf der European Radio Show auch gestellt. Syndikatisierungen stellen ein interessantes Modell dar. RTL Radio-Mann Christian Schalt nannte hierzu auch Erlösbeteiligungsmodelle in einer Roundtable am ersten Tag. Da bleibt nur die Frage einer zentralen Audio Landing Page, und diese steht bisher aus.

Roundtable auf der 
Hans Knobloch, Christian Schalt, Caroline Grazé, Vincent Benveniste,
Helmut Poppe bei der European Radio Show 2020
 (Bild: ©RADIOSZENE)
Hansi Knobloch, BR, Christian Schalt, RTL Radio; Caroline Grazé, radioplayer, Vincent Benveniste, DAVID Systemns, Helmut Poppe, Modertor des Roundtables

Wortbeiträge scheinen in Deutschland im Aufwind zu stehen, man beachte hierzu das neue MDR-Format „MDRfragt“ und weit über zehntausend deutschsprachige Podcast-Produktionen. Bei RADIOSZENE wurde auch jüngst über eine entsprechende Entwicklung bei der BBC berichtet. Eher skeptisch und philosophisch sah BR-Mann Hans Knobloch den Zustand des deutschen Radios „Jedes Land bekommt das Radio, das es verdient“. Podjock Gerry (Gérard) aus Liverpool und CEO von Podcast Radio, das Großes vorhat, meint, dass eher die Gesellschaft das Medium prägt. Er stellte jüngst auf LinkedIn sein neues Angebot mit einem real funny gemachten Video vor: „London wide – we cannot wait“.