Werbungtreibende reagieren im jetzigen epochalen Ereignis mit Storni von Kampagnen. Radio steht da nicht alleine.
Hand aufs Herz, liebe Verkaufsabteilungen: Schon die Zahlen aus zurückliegenden Krisen geprüft? Wie verliefen die Umsatz- und Storniverläufe 2007/2008 oder noch weiter zurück im Oktober 1997? Was bedeutete dies für das komplette Buchungs-Jahr!
Reichlich viele Faktoren bestimmen solche Vergleiche und Projektionen für das Radiobuchungsgeschäft. Es gibt zum einen eine mehr oder weniger ausgeprägte Kulanzbereitschaft der Verkaufsabteilungen, dann das Versprechen der Kunden, den Werbedruck zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen und zu kompensieren. Bereits laufende und nicht mehr zu unterbrechende Aufträge sind tagesgenau herauszurechnen, die Länge der Virus-Pandemie gehört ebenfalls zu einem Unsicherheitsfaktor, der eine Vorausschau der Einnahmen beeinflusst. Eines ist aber klar, wie Airtime verkaufen, wenn Kunden bestenfalls im Home Office zu erreichen sind und die Werbezeiten-Verkäufer, was verständlich ist, eher an die eigene Gesundheit denken?
Zuerst trifft es mit Sicherheit rein lokale Einschaltungen. Diese stehen im deutschen Radio-Business umsatzmäßig eher hinten, auch wenn es gerne heißt „All business is local business“. Die regionalen und Saisonalwerber wie Gastronomie, Spargelbauern und Volksfestveranstalter machen nur einen kleinen, wenn auch ‚netten‘ Anteil im Geschehen aus. Das Coronavirus trifft den Einzelhandel indes mit voller Wucht. Warenhäuser befürchten, dass die Sorge um die Verbreitung der Pandemie auch die Geschäftswelt lahmlegt. Mode- oder andere Retail-outlets stehen bereits leer. Macht es da noch Sinn, dürften sich viele Kunden fragen, zu solch einem Zeitpunkt Werbung zu schalten?
Geht man eine
Skala höher in der Kundenidentifizierung, nämlich zu Werbungtreibenden, die
national aufgestellt sind, aber mit regionalen Einschaltungen zum Beispiel mit
Werbekostenzuschüssen Produkte und Dienstleistungen bewerben, für diese stellt
sich die Situation ähnlich dar. Der Anteil aus den beiden Kundenbereichen lokal
und ‚halb-lokal‘ macht bei den Werbeinvestitionen einen Anteil von 25 bis 30% bei
allen Radioanbietern aus. Hochgerechnet auf die nicht alle Umsätze ausweisenden
Nielsen-Bruttozahlen geht es hierbei um über das Jahr gerechnet 400 bis 500
Mio. €. Da noch nicht absehbar ist, wie lange die Corona-Krise dauern wird –
gut möglich ist ja, dass die Wolken, die sich gerade über nicht nur über die
deutsche Radiowerbelandschaft legen nur während einer relativ kurzen Dauer von
zwei bis drei Monaten ihre Schatten werfen – ergibt eine erste vorsichtige
Schätzung deutliche Umsatzausfälle für die Gesamtheit der Anbieter. Wirken sich
die Buchungsrücknahmen für diese Segmente lokal/national-lokal nur auf drei
Monate oder länger aus?
Was sagt die derzeitige Buchungssituation in deutschen Funkhäusern dazu? Recht
schmallippige Aussagen kommen von dort. Anders sieht es bei einigen lokal
aufgestellten Medien aus, die nicht genannt werden wollen. Diese nennen hohe
vierstellige Beträge jeweils einzelner Kunden für das laufende Frühjahr. Hier
wird es sehr rasch zu Liquiditätsengpässen kommen.
Laut einem Nielsen-Ranking der fünfzehn größten Werbungtreibenden stechen unter den zehn Top-Spendern sechs FMCG-Anbieter und Handelsketten hervor, die ihre Produkte und Outlets weiterhin bewerben werden und mit einem Gesamt-Volumen von 5,4 Mrd. € einen gewaltigen Anteil der Einkünfte der privaten Radiostationen ausmachen.
Vertriebsmenschen und deren nationale Organisationen in den Funkhäusern sind momentan nicht erreichbar, denn sie stecken in Telefonkonferenzen. Ganz offensichtlich erfasst die Stornowelle nicht nur lokale Etats sondern auch nationale Mediapläne.
Insgesamt steht die Ampel für Radio bei den Werbeumsätzen also nicht mehr nur auf gelb. Vorsichtig geschätzt und unter der Annahme, dass es sich nur um eine kurze verbrauchsdämpfende Situation handelt – lassen sich die Einnahmenausfälle alleinig bei lokaler Werbung auf etwa 50 bis 75 Mio. € beziffern. Treffen wird es also zumindest und zuerst lokal aufgestellte Radioanbieter, die Storni und ausbleibende Schaltaufträge bereits registrieren oder erwarten müssen. Die Umsatzrückgänge werden dort für April auf 50% beziffern. Bei Rücklagen von wenigen 100.000 Euros solcher kleiner Anbieter, es gibt deren eine dreistelligen Zahl mit immerhin einigen Tausend Mitarbeitern, ist schnell absehbar, dass ohne fremde Hilfe die Stationen ihren Betrieb einstellen werden müssen.
Kurze Air-checks zeigen, dass die Lebensmittelanbieter weiterhin werben. Nicht verwunderlich, wenn die Geschäfte noch geöffnet sind. Nachvollziehbar, dass ein großer Telefonanbieter junges Publikum mit einem hohen Volumen-Angebot bewirbt in Zeiten, wo sozialer Kontakt nur virtuell empfohlen wird. Manche Stationen versuchen, die für Werbung vorgesehen Slots mit Eigenwerbung aufzufüllen wie mit Gewinnspielen in Kooperation mit Autohäusern.
„Wie leicht haben es da die öffentlich-rechtlichen Anbieter“, werden sich die Privaten da sagen.
Jüngste Zahlen ergeben – und jetzt wird es brenzlig – auch nationale Kunden stornieren. In hohem Umfang. Stimmen aus dem Markt sagen, dass bereits für den April auch bis zur Hälfte der nationalen Aufträge gekündigt wurden. Dies macht für den Zeitraum April-Mai einen dreistelligen Millionen-Eurobetrag aus. Sollte Corona anhalten, werden Umsatzrückgänge auch für landesweite Hörfunkangebote über Mai 2020 hinaus von über 50% prognostiziert. Das Jahr kann man demzufolge „komplett abschreiben“, so eine Stimme aus dem Süden.
Radio spielt in solchen epochalen Krisenzeiten seine Macht und Wirkung als schnelles und verbindendes Medium mit verlässlichen Informationen aus. Dieser Imagezugewinn und die jetzt erzielten Reichweitenzuwächse werden mit Sicherheit später Rendite abwerfen. Wie es übrigens auch 2008 der Fall war, da legte Radio im Vorjahresvergleich um 3 % bei den Umsätzen zu. Den HR-Abteilungen sei geraten, auf jeden Fall ihre Belegschaft zu halten, denn nach der Krise bekommt man sie vielleicht nicht so schnell wieder in die Branche.
Den Machern in den Funkhäusern ist zu wünschen
„Bleiben
Sie gesund und …. gut, dass es euch gibt!“