Neuerdings nennt sich Radio nicht mehr … Radio sondern Audio. Senior-Experten ist noch der Begriff „Funk“ in Erinnerung. Geschicktes „Framing“ der neu Hinzugekommenen? Mit zahlreichen Innovationen – wie soll es auch anders sein aus dem Digitalen – erhält das weiterhin enorm erfolgreiche Medium einen Push und wandelt sich. Gab es vor zehn Jahren in Deutschland 350 Sender sind es nun 438, die durchschnittliche Radioverweildauer aller Deutschen beträgt beachtliche 4 Stunden 9 Minuten an einem Werktag. 55 Millionen Deutsche hören Audiomedien. Radiosendern wird die höchste Glaubwürdigkeit als Nachrichtenquelle geschenkt (Zahlen MA 2019 I, GIK). Podcasts sollen laut einer PwC-Studie das beste Werbewachstum erfahren mit einer internationalen Steigerung von knapp 30% bis 2023, wohingegen die gesamte Medien- und Unterhaltungsbranche in diesem Zeitraum nur um etwas mehr als 4 % zulegen wird.
Ein Element der Transformation in der neuen Audio-Medienwelt stellen Podcasts dar. Solche Produktionen können unterhaltende oder informierende Beiträge sein, die in Serienform hergestellt werden und zeitversetzt ’non-linear‘ abrufbar und auch herunterladbar sind. Hörspiele oder bereits on air gewesene Beiträge sogenannte ‚replays‘ gehören auch zu dieser Kategorie. Zur Wiedergabe fungiert meistens das ubiquitäre Smartphone. Über tatsächliche Nutzerzahlen liegen unterschiedliche Zahlen vor, ob sie nun aus Eigeninteresse ‚hochgejazzt‘ sind oder nicht, sie zeigen auf jeden Fall einen durchschlagenden Trend: dieser geht Richtung Personalisierung der Hörangebote wie es viele Sender und Digitalanbieter mit zahlreichen Channels vor exerzieren.
Schaut man in einem der vielen Radio-Aggregatoren nach, welche die einzelnen Angebote thematisch sammeln, findet man in der gut gemachten App Audials (Hallo Karlruhe 🙂 ) 242.000 Beiträge in englischer Sprache und etwa 22.000 auf Deutsch von insgesamt 365.000 imventarisierten Beiträgen (Französisch 8552, Niederländisch 2013, Schwedisch 4872. Interessant wäre hierbei eine vergleichende Gewichtung nach Anzahl der Radio-/Audio-Hörer oder der Population insgesamt).
Rund um das weite Thema Gesundheit sind bei uns in Deutschland überdurchschnittlich viele Podcasts abzurufen. Natürlich gibt es in dem neuen Medienumfeld auch gleich Audiobeiträge mit Empfehlungen, wie solche Podcast produziert werden: der Anbieter Kondensator z. Bsp. verteilt Tipps zur Besorgung von Sounds, die er auf der empfehlenswerten US-amerikanischen Plattform NPR gefunden hat. Urheberrechtsfragen kann und sollte man nachlesen, sich aber nicht die Freude am kreativen Schaffen verderben lassen.
Eine ganz andere Dimension stellen Mitschnitte von politischen Diskussionen dar, wie hier z. Bsp. ein auf audials gefundener Podcast von Ausschusssitzungen zu den Themen Grundsteuer oder Städtebauförderung. Kompliment an die Kuratoren der App, ja, auch politische Diskussionen sind wichtig.
Solche innovativen Features tragen wirkungsvoll zur politischen Meinungsbildung bei. Mitschnitte von Ausschusssitzungen und Debatten im deutschen Bundestag sind auch als Videos in einer Mediathek abrufbar und ebenfalls in einer verschriftlichten Form. Im Speechtotext-Verfahren ergibt sich ein attraktives Feld für Anbieter, die alle möglichen Audioproduktionen, das gesprochene Wort mithin, auch Radiosendungen, verschriftlichen und mit Schlüsselwörtern, Indices und Tags tiefe Analysen ermöglichen. Eine Inhaltsanalyse des Wortes ist ja bisher nur möglich über analoges und zeitintensives Mithören. Viel Vorstellungskraft wird da nicht viel abverlangt bei der Frage, was mit solchen Technologien alles abrufbar und identifizierbar ist. Inhalte und die zeitliche Messung von Werbung sind nur ein ganz kleiner Teil davon.
Mit „Text2Bot“ bringt ein umgekehrtes Szenario Printerzeugnisse in die Welt des Hörens: Das Hamburger Startup Bottalk verwandelt Nachrichtenseiten in Podcasts und macht Verlagshäuser zu Podcastern. Da lautet die Aufforderung von Helmut Poppe, Radioexperte: „Reinhören und testen, ob Satzmelodie, Intonation und dergleichen stimmig sind. Anwendungen wie narrator’s voice überzeugen bisher nicht vollkommen. Spannend werden solche Anwendungen für einen Content-Auffütterung in zielgruppenspezifischen Channels der Radio/Audio-Anbieter. Für Printverleger liegen die Vorteile auf der Hand, sie gewinnen neue Kanäle und Chancen für die Erschließung zusätzlicher Erlösquellen„. Nach Angabe der Gründer werden große Potenziale im Bereich digitaler Gesundheitsanwendungen gesehen. Und da schließt sich der Kreis zu der eingangs festgestellten thematischen Favorisierung.
Hier ein Beispiel der Podcasts aus dem Bundestag. Es führte durch die Sendung – pardon – Anhörung MdB Bettina Stark-Watzinger souverän mit einer klaren, freundlichen Stimme. Das PA-System in unserer Volksvertretung scheint auch exzellent zu sein.
Bald findet in Paris eine für Radiomacher und für Vertreter von Unternehmen rund um die Branche konzipierte wohl größte Radio-Audiomesse in Europa statt. Für Fachbesucher ist der Eintritt frei!
#EuropeRadioShow
@DasMedienZentrm
#radioszene
MdB Bettina Stark-Watzinger, screenshot Mediathek Deutscher Bundestag
Andere Bilder: screenshots audials.